Verdeckte Narzissten – Der Traum von der idealisierten Liebe

Verdeckte Narzissten – Der Traum von der idealisierten Liebe

Viele Betroffene von „narzisstischem Missbrauch“ dachten am Anfang einer Begegnung mit einem narzisstischen Menschen, dass Sie ihn erreichen können. Sie dachten, dass sie ihn davon überzeugen können, in guter Absicht an dessen Seite zu sein. Für Sie war es Liebe. Für den Narzissten höchstens Verliebtheit. Insbesondere verdeckte Narzissten neigen dazu ihren „Opfern“ die perfekte Liebe vorzuspielen. Die Gründe dafür, möchte ich dir hier gerne erläutern.

verdeckte narzissten erscheonen auf den ersten blick liebenswert

Wie verdeckter Narzissmus entsteht

In der Entstehung des sogenannten verdeckten, vulnerabel-fragilen Narzissmus spielt die Kindheit eine Schlüsselrolle. Die narzisstische Persönlichkeitsstruktur bildet sich infolge einer dysfunktionalen Eltern-Kind-Beziehung aus, die durch einen Mangel an Aufmerksamkeit, Fürsorge und Wertschätzung geprägt ist.

Durch die fehlende Bindung entstehen Unsicherheit und Selbstzweifel und letztendlich auch ein Bindungstrauma, welches sich auch in co-abhängigem Verhalten zeigt.

Um diesen Schmerz abzuwehren oder um weitere Verletzungen zu vermeiden, entwickeln Kinder co-abhängige und narzisstische Schutzstrategien. Im Grunde sind diese Strategien schon sehr genial, denn sie schützen das Kind davor, hilflos ihren eigenen Gefühlen ausgesetzt zu sein. (Siehe auch hier)

Schauspieler oder verkappte Genies?

Verdeckter Narzissmus zeigt sich durch eine starke Verbindung zu Introversion und Neurotizismus, also der Tendenz, depressiv, launenhaft, leicht verwundbar und unsicher zu sein. Vulnerable Narzissten sind oft zurückhaltend, wenn nicht gar schüchtern und verbringen viel Zeit damit, über großen Erfolg, Ruhm oder Macht zu fantasieren. Denn genau wie offene Narzissten sind sie von ihrer eigenen Grandiosität und Wichtigkeit überzeugt. Sie halten sich für verkannte Genies, die sich mit weniger zufriedengeben müssen, als ihnen zusteht.

Verdeckte Narzissten sind gut darin ihr wahres Ich zu verschleiern. Sie wirken im ersten Moment sympathisch. Sie lachen und neigen zu Übertreibungen, damit sie nicht weinen müssen über die innere Leere, die sie versuchen zu verstecken. Verdeckte Narzissten waren selbst mal Kinder und wurden häufig selbst narzisstisch missbraucht.

Verdeckte Narzissten träumen von der idealen Liebe

Manche passen sich an und tun so, als wäre alles in Ordnung. Sie machen gute Miene zu bösem Spiel und versuchen es jedem Recht zu machen. Andere kämpfen gegen die Ungerechtigkeiten an und gewöhnen sich an, sich immer schon vorher zu rechtfertigen. Oder sie belehren andere und glauben immer zu wissen, was das Beste für jemanden ist.

Diejenigen, die dann am Ende eine narzisstische Persönlichkeitsstörung entwickeln, flüchten sich in Traumwelten. Sie träumen von der idealen Liebe, dem idealen Job oder davon reich und glücklich zu sein. Sie sind dann entsprechend auch bereit alles dafür zu tun.

In ihrer Welt ist die ideale Liebe, ein immerwährender Zustand, ein Rausch, frei von negativen Schwingungen. Dieses Liebesideal muss unbedingt aufrecht erhalten werden. Ihr Traum muss irgendwie real werden, koste es, was es wolle.

ideale Liebe

Verdeckte Narzissten sind verliebt in das Gefühl des Verliebtsein

Verliebtheit macht glücklich und erfreut das Herz. Sie ist aber auch sehr zerbrechlich und dann ein großer Schmerz.

Viele Partner von verdeckten „Narzissten“ haben oft selbst das Gefühl, getäuscht worden zu sein. Denn nur in der ersten Zeit, ist alles so leicht. Irgendwann dann wird alles schwer und sie trauern selbst der guten Zeit hinterher.

Doch eine Beziehung hat eben neben guten Zeiten, auch schlechte Zeiten. Doch für einen verdeckten Narzissten sind diese „schlechten Zeiten“ eine mittelschwere Katastrophe. Denn nur in der Verliebtheit, fühlt sich ein Narzisst gesehen und verstanden. Ohne Verliebtheit denkt ein Narzisst, ist auch die Liebe nicht mehr vorhanden.

Diese guten Gefühle werden im Übrigen ausgelöst durch das Kuschelhormon Oxytocin und das Glückshormon Dopamin, welches in der Verliebtheitsphase in großen Mengen ausgeschüttet wird. Es ist also ganz normal, dass die Hormone irgendwann abflachen.

Ist das nicht Lovebombing?

Lovebombing heißt ja mit Komplimenten und Liebesschwüren überschüttet zu werden. Verdeckte Narzissten tun, das wohl. Sie tun das einerseits weil sie so fühlen, andererseits aber sicherlich auch aus Angst, dass das, was sie zu geben haben, nicht ausreicht. Gleichzeitig sind verdeckte Narzissten auch extrem süchtig, nach den ganzen Gefühlen, die ausgelöst werden, durch die Reaktion ihres Gegenübers.

Denn nicht selten neigt die Gegenseite dazu, all diese Liebesschwüre zu erwiedern. Und wenn wir ganz ehrlich sind, macht „Liebe“ doch viel mehr Spaß, wenn es auf Gegenseitigkeit beruht. Obwohl sich gerade wieder die Frage stellt ob Verliebtheit dasselbe ist wie Liebe.

Verdeckter Narzissmus in Beziehungen

Gerade am Anfang der Begegnung, wo man sich noch nicht so gut kennt, also auch noch nicht soviel von sich erzählt hat, ist es leichter, auf den anderen einzugehen, ein verdeckter Narzissmus ist niemandem anzusehen und zeigt sich daher auch nicht. Am Anfang will ein Narzisst von einem alles wissen. Er fragt interessiert nach, hört zu, ist zugewandt und zeigt in vielen Dingen Verständnis. Das ist im Übrigen weder gespielt, noch vorgetäuscht. Denn dem Narzissten geht es ja gut. Deswegen fällt es ihm auch nicht so schwer, sich von seinen guten Seiten zu zeigen.

Doch wie ich schon beschrieb, flachen die Hormone irgendwann ab. Die Verliebtheit lässt nach und der Alltag beginnt. Jetzt beginnt erst das gegenseitige Kennenlernen. Davor haben verdeckte Narzissten besonders Angst. Denn jetzt zeigen sich die unbewussten Muster, welche noch versteckt werden konnten, im Verliebtheitsrausch.

Das Interesse am anderen nimmt nicht ab, es wird lediglich überschattet von der Angst. Der Angst nicht zu genügen. Der Angst verletzt zu werden. In der Verliebtheitsphase ist man nicht so anfällig für Meinungsverschiedenheiten. Doch ohne diese berauschenden Gefühle, fühlt sich ein Narzisst schutzlos und empfindet es als Angriff, wenn er nicht bestätigt wird, in dem was er fühlt oder denkt.

Weitere Anzeichen für verdeckten Narzissmus in Beziehungen

  • Streben nach Bewunderung und Anerkennung
  • Manipulatives Verhalten
  • Scheinbare Selbstlosigkeit (siehe auch Mutter-Theresa Narzissmus)
  • Deprimierte Grundstimmung (fühlen sich häufig innerlich leer)
  • Ausgeprägte Verletzlichkeit (Vulnerabilität)
  • Kritikempfindlichkeit
  • Passiv-aggressives Verhalten
  • Lästern über andere Menschen
  • Schwierigkeiten sich zu reflektieren
  • Empathiemangel
  • Neid und Arroganz

Verdeckt narzisstische Männer sind im Übrigen seltener als verdeckt narzisstische Frauen. Verdeckter Narzissmus gilt auch als weiblicher Narzissmus.

Das Gesicht hinter der Maske des Opfers

„Verdeckt“ ist der vulnerable Narzissmus auch aus dem Grund, weil Betroffene heftige Reaktionen vermeiden, um ihre Maske nicht fallen zu lassen. Deswegen zeigen sie ihre Wut oder ihrem Ärger meist nicht durch Worte, sondern durch toxisches Verhalten, z.b. durch passiv-aggressives Verhalten, um ihr Missfallen zu verdeutlichen. Sie strafen ihr Gegenüber mit bissigen Kommentaren und sarkastischen Zynismus oder mit eisiger Stille (Silent Treatment) und Liebesentzug ab.

Verdeckte weibliche vulnrable Narzissten gefallen sich in der Opferrolle. denn dadurch bekommen sie, was für sie so wichtig ist wie die Luft zum Atmen: Aufmerksamkeit und Bestätigung. Verdeckte Narzissten betreiben sogar „Fishing for Compliments“ indem sie sich selber abwerten, damit sie ihr Gegenüber dazu bringen, ihnen Komplimente zu machen.

verdeckte narzissten

Verdeckte Narzissten suchen die „Schuld“ im Außen

Nimmt die anfängliche Verliebtheit ab und wird die hochgejubelte Person ganz plötzlich menschlich, ist der idealisierte Traum von Liebe in Gefahr. Dafür muss vorgesorgt werden. Doch oft ist die Energie jetzt eine andere. Es wird anstrengender sich für die Bedürfnisse des anderen zu interessieren. Es fällt verdeckten Narzissten nun schwerer, dem anderen zuzuhören. Die Konzentration lässt nach und man wird anfälliger für Aufmerksamkeitsfehler. Der Fokus verlagert sich. Es ist jetzt nicht mehr alles gut.

In der Verliebtheit noch, gallt diese Verpeiltheit als liebenswerte Macke. Doch ohne die Droge, wirken die kleinen „Fehler“ wie große Kacke. Verdeckte Narzissten nehmen diese Unachtsamkeiten persönlich und zeigen sich erst nach langer Zeit wieder versöhnlich. Vorher haben sie meistens großes Drama daraus gemacht, denn das Gegenüber hat die eigene Traumwelt ins Wanken gebracht.

Und wenn das Idealbild Risse bekommen hat, muss die „Schuld“ beim anderen liegen, auch wenn niemand was dafür kann, dass der Narzisst sich selbst und den anderen „so“ nicht lieben kann.

Bedenke: Narzisst ist nicht gleich Narzisst!

Wer zum ersten Mal auf dieser Website ist und über diesen Blogartikel hier her gefunden hat, dem möchte ich kurz ein paar Worte mit auf den Weg geben.

In meiner Welt sind nicht alle Menschen gleich, auch wenn sich manche vielleicht vom Verhalten her ählich sind. Das trifft auch auf „Narzissten“ zu. Denn Narzissmus ist ein Spektrum. Es fängt an mit narzisstischen Zügen, geht über den narzisstischen Persönlichkeitsstil und endet bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Dem Laien steht es nicht zu darüber zu befinden, ob jetzt jemand die Kriterien für ein psychiatrische Erkrankung erfüllt oder nicht.

Daneben gibt es zahlreiche Abstufungen. Eine davon nennt sich verdeckter weiblicher vulnerabler Narzissmus.

Des Weiteren: Es ist ganz normal zu sagen „So bin ich nicht“

Manch einer wird sich in diesem Artikel wiederfinden. Er wird sich aber nicht selbst als Narzisst sehen. Das ist ganz normal. Gerade in der heutigen Zeit, wo der Narzissmus so extrem in Mode gekommen ist. Es sind immer die anderen, die böse und gemein sind.

Man selbst dagegen ist zu verletzt um die eigenen Narzissmen anzuerkennen. Es ist also ganz normal den eigenen Narzissmus abzuwehren und zu sagen „Nein, so bin ich nicht“.

Andere zu beschuldigen ist also auch nur ein Schutzmechanismus um Verletzungen zu vermeiden, auch wenn manch einer sagt: „So was mach ich nicht“.

© Daniel Brodersen

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