Lebensfalle Wiederholungszwang: Und 3x täglich grüßt der Autopilot

Lebensfalle Wiederholungszwang: Und 3x täglich grüßt der Autopilot

Wieso stecken wir in Beziehungen fest, von denen wir wissen, dass sie uns nicht gut tun? Warum treffen wir immer wieder auf narzisstisch- strukturierte Menschen, die uns an unsere Eltern erinnern? Warum lassen wir zu, dass wir verletzt werden, ohne auf unser Grenzen zu achten? Was ist der der Grund dafür, dass es uns so schwer fällt loszulassen, geschweige denn aus Fehlern zu lernen? Einer der Gründe dafür: Der von Freud in der Psychoanalyse erkannte und geprägte Wiederholungszwang – ein Muster immer wieder abgespult vom verletzten inneren Kind.

Der Wiederholungszwang ist, wenn sich alles im Leben immer wiederholt

Was genau ist der Wiederholungszwang?

Eigentlich könnten wir es besser wissen! Denn Sigmund Freud hatte bereits 1920 den Wiederholungszwang definiert. Laut ihm, zeigt sich der Wiederholungszwang durch den schwierig zu erklärenden menschlichen Impuls, unangenehme oder sogar schmerzhafte Gedanken, Handlungen, Träume, Spiele, Szenen oder Situationen zu wiederholen.

Das reicht von unvollendeten Lebensentwürfen die sich in Dauerschleife wiederholen, von Fehlern, aus denen man scheinbar nicht lernen kann, von toxischen Beziehungen und Weitergabe von Entwicklungstrauma bis hin zu Sucht- und Zwangserkrankungen. Man könnte also tatsächlich daraus schließen, dass das innere Kind oder der Autopilot sich minimum 3x täglich bei uns meldet und das Kommando übernimmt.

Der Wiederholungszwang im Alltag

Drama, Stress und Trauma liegen näher beieinander als man denkt. Vielleicht kennst du selbst das Gefühl, ständig angespannt, gestresst, genervt oder überfordert zu sein. Vielleicht wiederholen sich manche Themen Gebetsmühlenartig und du stellst fest, dass du scheinbar nichts dazu gelernt hast. Und vielleicht spürst du dich selbst nur, wenn du im Stress bist.

Stress kann schließlich süchtig machen. Stress ist der Treibstoff vieler Workaholics und Adrenalinjunkies, die sich einbilden, dass sie unter Druck am besten funktionieren. Der Körper ist die Hormonausschüttung gewöhnt und braucht immer wieder seine „Dosis“. Stress ist quasi der Überlebensmodus der vom Leben gelangweilten. Auf Dauer ist jedoch permanentes Stresserleben tödlich. Herz-Kreislauferkrankungen, Schlafstörungen, chronische Verspannungen und Haltungsschwächen, Diabetes bis hin zu Krebs können Folgen von frühkindlich unverarbeiteten Stress sein. 

Die Atmosphäre ist hoch emotional aufgeladen, alles wird zum Problem, Panik bricht aus und der Autopilot übernimmt. Das Drama wird wiederholt unbewusst „inszeniert“. Der Alptraum will nicht aufhören. Und kommst du zur Ruhe, lässt die nächste leidvolle Erfahrung nicht lange auf sich warten und es zeigen sich massive Verlustängste, Verlassenheit, Hilf- und Machtlosigkeit, Ohnmacht,Beklemmungen und Kränkungen.

Glaubenssätze sind Sätze, die sich in unserem Glauben wiederholen

Viele Menschen wirken fremdbestimmt. Sie rackern sich ab. Sie machen kaum Pause. Sie haben ständig das Gefühl sich beweisen zu müssen. Sie denken Sätze wie, sie seien nicht gut genug oder wer rastet, der rostet. Und auch Sie fühlen sich innerlich getrieben, wie auf der Flucht. Diese sogenannten Glaubenssätze bilden sich zum Wiederholungszwang aus. Betroffene halten Ruhe nicht lange aus. Sie laufen vor sich selbst davon.

Oder Sie glauben, sie müssten ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigen, sich regelrecht aufopfern für andere, um in den verdienten Genuss von Liebe und Anerkennung zu kommen. Zurückzuführen ist dieses Denken auch auf übernommene Gaubenssätze, resultierend aus belastenenden bzw. traumatischen Prägungen, die wir mit unseren engsten Bezugspersonen gemacht haben.

Beispiele für Glaubenssätze die bei einem Wiederholungszwang vorkommen

  • Ich bin nicht gut genug
  • Nichts, was ich tue, ist gut genug
  • Ich bin ein Versager
  • Ich bin unsichtbar
  • Ich bin nicht liebenswert
  • Ich bin wertlos
  • Ich bin nicht attraktiv

Traumata der Kindheit spielen eine große Rolle

Wenn wir immer wieder denselben Fehler wiederholen, oder immer den gleichen Gedanken hinterherjagen z.b. uns den gleichen Partner anlachen, füttert diese Wiederholung gleichzeitig auch unseren Wunsch nach Bestätigung einer negativen Grundannahme. Häufig haben Menschen die Grundannahme, nur über Leistung Liebe und Anerkennung zu erfahren. Folglich suchen sich Betroffene einen Partner, dem es sie nicht recht machen können.

Auch kann es durchaus sein, dass sie durch ihre eigene permanente Geschäftigkeit Probleme in ihren Beziehungen haben. Immer sind andere wichtiger. Für Zweisamkeit und Entspannung ist einfach kein Platz. Veränderte Hirnabläufe sind der Grund dafür, dass traumatisierte Menschen destruktive und schmerzhafte Verhaltensmuster wiederholen. Das immer wieder reinszenierte Muster wird zu einem Zwang- dem Wiederholungszwang.

Schematheorie nach Jeffrey E. Young

Es gibt noch eine andere Theorie darüber, warum wir immer wieder an Menschen geraten, die unseren Urschmerz triggern. Und zwar die Schematheorie von Jeffrey E. Young.

Sie gehört zur dritten Welle der neuartigeren Psychotherapien und ist ein Abzweig der kognitiven Verhaltenstherapie nach Aaron Tim Beck, auf deren Grundannahmen sie auch beruht. Gleichzeitig ist sie das schulmedizinische Pendant der Arbeit mit dem inneren Kind.

Laut der Schematheorie von Young bilden wir durch die Erfahrungen unserer Kindheit verschiedene Grundüberzeugungen aus denen sich maladaptive Schemata entwickeln. Diese erklären uns in der Folge, wie die Welt ist und wie wir sind. Damit verleihen sie uns ein Gefühl der Sicherheit und Vertrautheit in einer unübersichtlichen und für uns teilweise unberechenbaren Umwelt.

Diese Grundannahmen werden fester Bestandteil unseres Selbstbildes. Sie zeigen uns auch unseren Platz in der Welt. So vermitteln sie uns das Gefühl, die Welt und unsere Erfahrungen darin ein Stück weit voraussehbar zu machen. Der Wiederholungszwang ist geboren.

Diese maladaptiven Schemata werden auch als Lebensfallen bezeichnet oder als Wiederholungszwänge. Such es dir gerne aus.

Wenn wir beispielsweise zu der Grundüberzeugung gelangt sind, die Welt sei ein gefährlicher Ort, entwickeln wir die Lebensfalle „Verletzbarkeit“. Die damit verbundenen Gedankenmuster verzerren unsere Wahrnehmung von der Welt. Sie übersteigern das Gefühl unserer eigenen und der Verletzbarkeit von allen, die uns wichtig sind.

Lebensfallen die dich attraktiv für Narzissten machen

Zu den typischen Lebensfallen, die dich anfällig für narzisstische Partner und toxische Beziehungen machen, zählen:

  • Abhängigkeit / Dependenz
  • Emotionale Entbehrung
  • Emotionale Gehemmtheit
  • Selbstaufopferung
  • Streben nach Zustimmung und Anerkennung
  • Unterwerfung
  • Unzulänglichkeit / Scham
  • Verlassenheit / Instabilität
  • Verstrickung

Betroffene mit Wiederholungszwang werden häufig als beratungsresistent wahrgenommen

Manchmal wiederholen die Menschen ihren Zwang solange bis das Thema gelöst ist. Des Öfteren aber lässt die Einsicht jedoch auch auf sich warten. Manchmal dauert es ein ganzes Leben und hört erst auf, wenn man einen Zettel am Fuß hat. Es scheint, als wären sie nicht in der Lage den ein oder anderen Hinweis von Außen anzunehmen. Man bezeichnet solche Menschen gerne mal als beratungsresistent.

In Selbsthilfeforen oder in den sozialen Medien, tummeln sich viele Betroffene, die um Rat fragen, aber scheinbar nicht im Stande sind, die Tipps und Ratschläge anderer anzunehmen. Das Muster wiederholt sich permament. Die Betroffenen drehen sich im Kreis. Man spricht auch von kalibrierten Schleifen in diesem Zusammenhang.

Ein sich immer wiederholendes Muster

Der Wiederholungszwang zeigt sich oft in der Partnerwahl

So suchen sich traumatisierte Menschen oft Partner mit ähnlichem Hintergrund, oder aber auch Partner, die Verhaltensmuster aufweisen, wie die Person, die sie traumatisiert hat. Das heißt also auch, dass der Partner eine Projektionsfläche für bereits Erlebtes ist (also ein Spiegel) und nicht wie angenommen der Verursacher.

Dieses wiederholte Aufsuchen von Partnern mit ähnlichen Mustern nennt man auch Traumabonding. Man sucht sich diese Menschen, weil ihr Verhalten so vertraut auf einen wirkt, auch wenn diese Menschen sich vermutlich nur so verhalten, weil sie in ihrer Kindheit auf eine ähnliche Art und Weise traumatisiert wurden.

Häufig suchen sich traumatisierte Menschen Partner mit ähnlichen Verhaltensmustern

Mitgefühl für sich und andere ist oft Mangelware

Veränderte Hirnabläufe sind der Grund dafür, daß traumatisierten Menschen der einfühlsame Umgang mit ihrer Umgebung oft nicht gelingt. Sie haben Schwierigkeiten die alltäglichen Herausforderungen des Lebens zu meistern, weil es ihnen an Fähigkeiten der Selbstregulation fehlt. Ihr Vagus Nerv arbeitet nicht richtig und der Sympathikus ist dauer erregt.

Sie reagieren hypersensibel auf ihr Umfeld und fühlen sich schnell überfordert oder bedroht. Sie sind leicht kränkbar und tun sich schwer damit Menschen zu akzeptieren, die die Dinge anders sehen, als sie selbst. Dieses Verhalten wird auch als Hypervigilanz bezeichnet. Eine der Folgen ist der Verlust der Empathie, für sich und andere.

Betroffenen fällt es schwer aus ihren Erfahrungen zu lernen

Deshalb neigen sie zu Suchtverhalten und zur Wiederholung ihrer schädigenden Verhaltensmuster. Sie scheinen nicht dazu in der Lage zu sein aus ihren Erfahrungen zu lernen. Auch geben Sie anderen die Schuld an ihrem Wiederholungszwang, weil sie nichts anderes kennen und ihr Verhalten daher als normal betrachten, ähnliches wird auch bei ADHSlern beobachtet.

Generell fällt es uns bei Menschen mit einer körperlichen Behinderung viel leichter Mitgefühl zu haben, als bei Menschen, die sich im sozialen Kontext nicht so verhalten, wie wir es kennen, erwarten und voraussetzen, auch wenn diese sich vermutlich auf eine ähnliche Weise verhalten, wie wir es tun.

Vom Opfer zum Täter

Von Menschen mit stark vermeidenden Bindungsmustern fühlen wir uns herabgesetzt. Also machen wir sie zu Tätern, indem wir sie so nennen. Sie irritieren uns und sehen uns nicht so, wie wir von ihnen gesehen werden wollen. Wir erkennen nicht bzw. verdrängen es, daß sich da das eigene Gefühl der Wertlosigkeit zeigt und daß die Menschen im Außen dabei nur die Triggerfunktion übernehmen. Im Grunde genommen betreiben wir Self-Gaslighting

Hätten wir den Zweifel am eigenen Wert nicht in uns, dann würde das Verhalten der anderen unser Wohlbefinden bei weitem nicht so beeinträchtigen können und wir würden uns vermutlich nicht so stark in der Opferrolle sehen.

Niemand kommt als Narzisst oder Narzisstin zur Welt

Wir sollten uns jedenfalls immer wieder klar machen, dass kein Mensch mit einer Persönlichkeitsstörung auf die Welt kommt, zumal ich persönlich den Begriff nicht hilfreich finde, um das Verhalten eines Menschen zu beschreiben. Die Persönlichkeitsstörung ist aus einstmals sinnvollen und notwendigen Anpassungsversuchen entstanden, die deshalb zu Automatismen geworden sind, weil sie in einer Zeit stattgefunden haben, in der die Hirnentwicklung noch nicht abgeschlossen war. Das heißt auch Narzissten unterliegen dem Wiederholungzwang.

Sich abgrenzen von Menschen, die ein Muster wiederholen ist wichtig

Natürlich dürfen (und sollten!) wir Grenzen setzen und destruktive Verhaltensweisen nicht tolerieren, aber Verurteilung und Hass sind nicht nur unangebracht, sie zeugen auch von unseren eigenen offenen Verletzungsebenen und sie verbauen die Wege und Möglichkeiten der Heilung für alle Beteiligten.

Mitgefühl für sich selbst und andere zu haben ist eine Qualität, die wir pflegen sollten, denn sie ist unverzichtbar, wenn wir uns unserem ursprünglichen authentischen Sein wieder annähern wollen. Zu erwarten jedoch, dass andere genauso mitfühlen wie wir oder unser Mitgefühl davon abhängig zu machen, hat relativ wenig mit echtem Mitgefühl zu tun.

Möglicherweise wiederholt sich da auch ein Muster. Vielleicht erwarten wir einfach zuviel. Vielleicht fällt es uns deswegen so schwer Menschen zu akzeptieren, die weniger mitfühlen, als man selbst. Und vielleicht ist es auch ein Wiederholungszwang andere als Narzissten zu betiteln, die einem spiegeln, wie man sich selbst behandelt, bis man anfängt liebevoller zu sich selbst zu sein.

© Daniel Brodersen

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