Co- Abhängigkeit und Entwicklungstrauma

Wenn man in der Psychologie von einem Trauma spricht, nahm man bis vor kurzem an, dass es sich um ein Schocktrauma handeln muss, um eine PTBS (Posttraumatischen Belastungsstörung) zu diagnostizieren. Ein Kernmerkmal ist die Hypervigilanz. (Wiedererleben, Übererregung und Vermeidungsverhalten). Das sogenannte Entwicklungstrauma war sehr lange unerforscht und dadurch auch eher unbekannt. In der alten ICD-10 gibt es die Diagnose „Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung“. Eine Folge davon ist im Übrigen die Co- Abhängigkeit.

Viele Psychiater greifen leider bevorzugt auf Persönlichkeits-störungen zurück, obwohl es eben weniger stigmatisierende Diagnosen gibt. 

Mittlerweile ist die Forschung viel weiter auf dem Gebiet, weswegen jetzt der Begriff der k-PTBS immer mehr zur Anwendung kommt und somit auch auf das Entwicklungstrauma eingeht.

Man spricht jetzt also von der komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung, die auch Bindungsstörungen, Verlustängste, Paranoide Entwicklungen, narzisstisches und passiv-aggressives Verhalten, die toxische Scham, Dissoziative Störungen und Autoimmunerkrankungen mit einbezieht.

Symptome der andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung laut ICD-10

Nach ICD-10 müssen bei einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung mindestens zwei der folgenden Symptome vorliegen:

  • andauerndes Gefühl der Leere und Hoffnungslosigkeit 
  • andauerndes Gefühl von Nervosität oder Bedrohung ohne äußere Ursache
  • feindliche oder misstrauische Haltung gegenüber anderen
  • sozialer Rückzug
  • andauerndes Gefühl der Entfremdung von anderen Menschen

Durch die negativen Einstellungen, den sozialen Rückzug und das misstrauische Verhalten kommt es oft zu Problemen und Co- Abhängigem Verhalten in den Beziehungen zu anderen Menschen, und in Ausbildung und Beruf. Dies verstärkt wiederum die Symptome – es tritt eine Art Teufelskreis ein.

Symptome der Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung (laut ICD-11)

Auslöser sind meistens längerdauernde und/oder wiederholte extrem bedrohliche Ereignisse, bei denen Flucht schwierig oder unmöglich war, wie bei existenziell bedrohlicher Gewalterfahrung in der Familie, sexualisierter Gewalt, Folter, Sklaverei, (politischer) Verfolgung, Genozidbedrohung etc.

Alle drei Bedingungen der PTBS – Wiedererleben, Vermeidung und Übererregung – waren im Verlauf der Störung einmal erfüllt.

Zusätzlich kommen drei wesentliche Problembereiche hinzu:
○ Schwere und tiefgreifende Probleme der Regulation von Gefühls- und Körperzuständen
○ Intensive Scham-, Schuld-, Wertlosigkeits- und Versagensgefühle in Verbindung mit den traumatisierenden Ereignissen
○ Andauernde Bindungsstörung und Beziehungsstörungen

Diese Symptome müssen mindestens über mehrere Wochen auftreten und in verschiedenen Lebensbereichen Beeinträchtigungen auslösen, wie Familie, Arbeit oder sozialen Beziehungen. Zusammengefasst besteht somit ein Entwicklungs-trauma, d.h. ein Traumatisierung der eigenen Entwicklung. 

Entwicklungstrauma II
Traumafolge

Symptome der Co-Abhängigkeit

 

  1. Übertriebenes Verantwortungsgefühl für andere
  2. Die Neigung Liebe und Mitleid zu verwechseln / Menschen zu „lieben“ die man retten kann
  3. Die Tendenz mehr als den eigenen Anteil zu tun
  4. Die Neigung verletzt zu sein, wenn andere die eigenen Anstrengungen nicht wertschätzen
  5. Ungesunde Abhängigkeit von Beziehungen / Festhalten um jeden Preis
  6. Starkes Bedürfnis nach Anerkennung und Wertschätzung
  7. Schuldgefühle beim Durchsetzen eigener Bedürfnisse
  8. Zwanghaftes Bedürfnis andere zu kontrollieren
  9. Mangelndes Vertrauen in sich selbst und andere
  10. Angst vorm verlassen werden / allein sein
  11. Schwierigkeiten Gefühle klar zu identifizieren
  12. Schwierigkeiten sich an Veränderungen anzupassen / Rigidität
  13. Probleme mit Intimität / Grenzsetzung
  14. Chronischer Frust / Ärger
  15. Unehrlichkeit / Unoffenheit
  16. Probleme eigene Bedürfnisse klar zu kommunizieren
  17. Schwierigkeiten Entscheidungen zu treffen

Sind auch Narzissten traumatisiert und co-abhängig?

Wenn man dem Internet und den vielen Youtube- Coaches glauben möchte, dann spricht man von narzisstischem Missbrauch. Auf der einen Seite die „bösen“ Täter, auf der anderen Seite, die „armen“ und vor allem traumatisierten „Opfer von Narzissten“.

Für die Wissenschaft, ist der Begriff „narzisstischer Missbrauch“ eher ein Sammelbegriff für verschiedene Verhaltensmuster, die leider von vielen nicht voneinander abgegrenzt werden, was aber nötig wäre.

Da spielen manchmal antisoziale (Soziopathische) Persönlichkeitsanteile mit hinein, genauso wie dysfunktionale, impulsive Verhaltensweisen, die wir mit ADHS oder Borderline verbinden.

Vermutlich ist es irgendwas dazwischen. Die Ursachen dafür, sind häufig starke Scham und Selbstzweifel, die viele Betroffene bereits aus ihrer Kindheit kennen, wenn sie von ihren Bezugspersonen entwertet wurden.

So gesehen sind auch „Narzissten“  traumatisiert, dysreguliert und co-abhängig.

 

Narzissten SHG

Was ist Co- Abhängigkeit in Bezug auf Entwicklungstrauma bzw. Beziehung? 

Die Co- Abhängigkeit ist ein traumabedingter Zustand der Abhängigkeit von Beziehungen zu anderen Personen, und gleichzeitig auch eine emotionale Abhängigkeit der relevanten und irrelevanten psychologischen Funktionen.

Kurz zusammengefasst: Co- Abhängige Menschen  sind bedürftig, anspruchsvoll und unterwürfig.

Sie haben immer Angst davor im verlassen zu werden und somit die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Aus diesem Grund klammern sich Co- Abhängige an andere und verhalten sich unreif.

Um so eine Beziehung aufrecht zu erhalten, kann eine Co-Abhängige Person zu sehr drastischen Mitteln greifen, nur um ihre Beziehung zu ihrem Partner zu schützen.

Manche Co- Abhängige gehen derart in ihrer selbstgewählten „Opferrolle auf“, dasss sie sich sogar bereitwillig missbrauchen und misshandeln lassen, nur um nicht allein zu sein.

Durch die Akzeptanz ihrer eigenen Opferrolle und durch Aussagen, die darauf hinweisen, dass sie ja gar nicht anders können, kontrollieren Co- Abhängige ihre „Missbraucher“ und manipulieren diese. Nicht selten erzeugen Co-Abhängige Menschen Drama um die Beziehung nicht verlassen zu müssen.

Man unterscheidet zwischen drei Arten der Co- Abhängigkeit:

  1. Co- Abhängigkeit zur Abwehr der Angst vor dem Verlassenwerden
  2. Co- Abhängigkeit zur Bewältigung der Angst vor Kontrollverlust
  3. Verdeckter Narzissmus

Bei welchen „Krankheitsbildern“ sollte noch an Entwicklungstrauma und / oder co-abhängiges Verhalten gedacht werden?

Angst und Panik

Angst- und Panikstörungen

Menschen die unter Ängsten leiden, neigen zu Vermeidungsverhalten. Besonders oft kommt dabei die soziale Phobie vor, also die Angst in der Öffentlichkeit bewertet und kritisiert zu werden und damit auch intensiven Scham- und Ohnmachtsgefühlen ausgesetzt zu sein.

 

adhs und co-abhängigkeit

ADHS, passive- Aggressivität

Aufgrund ihres Konzentrationsmangels gepaart mit Impulsivität, neigen ADHS´ler Routineaufgaben zu verschleppen, weswegen es zu vermehrten Konflikten kommt. Gleichzeitig fällt es ihnen schwer sich an Regeln zu halten.

Zwang

Zwänge

Menschen mit einer Zwangsstörungen neigen zu Perfektionismus und Tics und beharren starr auf bestimmten Regeln oder Verhaltensabläufen und tendieren dazu, Dinge zu kontrollieren. Bekanntester Zwang: Der Waschzwang z.b. nach einer Vergewaltigung.

 

Migräne

Psychosomatische Beschwerden

Körper und Geist sind eng miteinander verbunden. Seelische Probleme, die nicht aufgearbeitet werden, machen sich dann irgendwann auch körperlich bemerkbar. Man spricht häufig von den Holy Seven, also sogenannten Psychosomatosen.

Suchterkrankung

Suchterkrankungen

Menschen die traumatisiert sind, neigen dazu ihren Schmerz zu betäuben, sei es durch Alkohol, Drogen, Nikotin oder anderen stoffgebundenen oder auch ungebundenen Süchten, wie z.b. Arbeits-, Spiel-, oder Sexsucht.

Schizophrenes Entwicklungstrauma

Schizophrenie, Psychose

Wenn das Leben von ständigen Wahnvorstellungen und Hallunzinationen beherrscht wird, kann man schon verrückt werden und Stimmen hören und wirre Gedankengänge haben.

Entwicklungstrauma und Bindungstrauma (nach Michaela Huber)

Ein Entwicklungstrauma ist eine tiefgreifende seelische Verletzung, die aus einem langen Prozess von Unterdrückung, gefühlter Hilflosigkeit und Gewalt entsteht.

Betroffene von Entwicklungstraumata hatten eine belastete Kindheit mit Eltern, die nicht glücklich waren. Eltern die nicht glücklich sind, geben ihre Themen, oft an ihre eigenen Kinder weiter. Wir sprechen dann von der Transgenerationalen Übertragung oder den sogenannten Bindungstrauma. Die Folgen dafür sind oft tragisch. Denn auch die Folgegeneration gibt viel unreflektiert Übrnommenes unreflektiert weiter. Der Nährboden für co-abhängiges und narzisstisches Verhalten.

So gesehen kann man also von einer Epidemie sprechen bestehend aus narzisstischen Müttern und narzisstischen Vätern, die ihre Themen auf ihre Kinder übertragen, welche viele dieser Muster dann wiederholen. Ein Nährboden für „toxische“ Beziehungen und Traumafolgestörungen wie z.B. Borderline oder Angststörungen. 

Entwicklungstrauma – die Ursache aller psychischen Störungen?

Nach Schätzungen vieler Psychologen wird das Entwicklungs-trauma in vielerlei Hinsicht noch viel zu wenig beachtet. 

Oft wird unterschätzt, dass gerade sehr frühe emotionale Verletzungen in der Kindheit erhebliche Ausmaße besitzen, die das spätere Leben als Erwachsene*r stark beeinträchtigen können. 

Dabei muss es nicht immer ein schwerwiegendes Ereignis sein, das zu einem Entwicklungstrauma führt. Meist reichen unscheinbare, doch prägende Erfahrungen, durch die Kinder ein negatives Selbstbild entwickeln.

Der Spruch, dass Kinder nicht so viel mitbekommen, darf also mit großer Vorsicht genossen werden. 

Entwicklungstraumata werden in Körper und Psyche gespeichert

Jede Art von psychischen Störungen oder Traumata sind nicht nur Kopfsache, sondern betreffen die körperliche und die seelische Ebene gleichermaßen. Körper und Psyche stehen in Wechselwirkung.

Die negative Prägung durch ein Entwicklungstrauma zeigt sich aber nicht nur im Verhalten von Menschen, sondern auch messbar in ihrem Nervensystem:

Kinder & Erwachsene, die emotional vernachlässigt wurden oder ein Entwicklungstrauma durchmachen mussten, zeigen identische Merkmale im Nervensystem wie Personen, die Gewalterlebnisse, Unfälle oder ein Schocktrauma durchlaufen haben.

Fehlt es uns im Kindesalter an einer sicheren, festen und zuverlässigen Bezugsperson, entsteht ein Bindungstrauma. Betroffenen fällt es sichtlich schwer, sich auf Neues einzulassen und neugierig ins Leben zu gehen.

Als Erwachsene*r fällt es uns dann sehr schwer, Partnerschaften einzugehen oder überhaupt zu vertrauen.

Mögliche Folgen und Symptome von Entwicklungstrauma

• Bindungsangst
• Co-Abhängigkeit
• Emotionale Abhängigkeit
• Verlustängste
• Klammern
• Schwierigkeiten sich selbst und/oder anderen zu vertrauen
• Sich aufopfern, um geliebt zu werden
• Übermäßig viel zu leisten, um gemocht/akzeptiert zu werden
• Scham- und Schuldgefühle
• Niedrige Stresstoleranz
• Selbstdestruktives Verhalten und Autoaggression
• Sich ständig überfordern
• Übertriebenes Bedürfnis nach Kontrolle
• Perfektionismus

● Eigene Bedürfnisse nicht erkennen und durchsetzen
Eigene Grenzen nicht erkennen und umsetzen  
● Grenzen anderer nicht erkennen und wahren

● Negative Lebenssituationen werden als vertraut wahrgenommen, und nicht verlassen
● Gefühl immer allein zu sein / nicht in Kontakt treten zu können
● Lebendigkeit nicht spüren zu können
● Sich als Alien auf der Welt zu fühlen
● Gefühl immer alles alleine machen zu müssen – keine Hilfe annehmen zu können
● Gefühl nicht zu genügen
● Gefühl zu viel für andere zu sein, und sich nicht zumuten zu können
● Gestörte Selbst- und Fremdwahrnehmung
● Kopflastig sein bzw. „überrational“
● Den eignen Körper nicht spüren
● Innere Wut
● Trauer

• Gefühl von Leere
• Dissoziation
• Depersonalisation
• Derealisation
• Konzentrationsschwierigkeiten
• Schlechte Affektregulierung
• Depressive Verstimmung
• Sucht
• Gefühl von Einsamkeit
• Unverhältnismäßige Reaktion auf Trennung oder Verluste
• Burnout
• Psychosomatische Beschwerden

Traumasensibles Coaching und Traumasensible Paarberatung

Basierend auf meinen Erfahrungen und verschiedenen Ausbildungen habe ich ein Traumasensibles Coaching entwickelt, welches sowohl für Einzelpersonen als auch für Paare gut geeignet ist. Nimm gerne Kontakt zu mir auf.

Weitere Informationen über Entwicklungstrauma und Bindungsproblematiken

In meinem Blog findest du auch Artikel über Verhaltensweisen und Zustände, die Symptome und Bindungsthematiken beschreiben, die auf ein Entwicklungstrauma hinweisen. Bislang galt der Begriff „Narzisstischer Missbrauch“ als Erklärung für fast alles. Jedoch ist das nicht so einfach, denn die Symptome unter denen man leidet, lassen sich nicht so einfach erklären.  Vielleicht hilft dir das bei der Selbstreflektion und Spurensuche ein wenig weiter. Vielleicht ist es aber auch zuviel Input für dich. Wenn du Fragen hast diesbezüglich hast, schreib mich gerne an. 

Dysthymia

Dystymia - Wenn die innere Leere dich quält

Wenn wir verletzt werden, fühlen wir uns stets innerlich leer und deprimiert. Nun stelle dir vor diese Verletzung geschah schon in frühen Jahren. Wie sehr frühe Verletzungen nachwirken, hast du vermutlich, schon gespürt. Du fühltest früh, dass dir irgendwas fehlt. Vielleicht hast du sogar geglaubt, dass mit dir etwas nicht stimmt. Diesen Zustand beschreibt man als Dysthymia.

On-Off-Beziehungen

On- Off Beziehungen

On-Off-Beziehungen sind Beziehungen mit dem Wunsch nach Nähe, und der gleichzeitigen Ablehnung dieser. Menschen kommen zusammen, verbringen eine intensive Zeit miteinander, trennen sich und versöhnen sich wieder. Das ganze Drama wiederholt sich also. Wirklich Intim wird es dadurch jedoch nie. Die Folgen eines Entwicklungstraumas?

adhs

ADHS und Co- Abhängigkeit in toxischen Beziehungen

Eine ADHS begünstigt das Entwicklungstrauma und führt auch zu Co- Abhängigkeit in Beziehungen.  Menschen die unter den Symptomen ihrer ADHS leiden, machen in ihrem Umfeld unschöne Erfahrungen. Wenn sie sich häufen, können diese Negativerfahrungen zu einem Entwicklungstrauma führen. Bei Betroffenen von ADHS ist daher die Wahrscheinlichkeit für eine Posttraumatische Belastungsstörung größer.