Copingstrategien: 15 Möglichkeiten wie du deinem Beziehungsstress begegnen kannst

Copingstrategien: 15 Möglichkeiten wie du deinem Beziehungsstress begegnen kannst

Copingstrategien (engl. to cope, überwinden, bewältigen) oder Bewältigungsstrategien sind psychische Überlebensstrategien zur Bewältigung schwieriger Lebenssituationen, Beziehungskrisen, Belastungen im Alltag und traumatischer Erlebnisse. Sie sind wesentlicher Schutzfaktor der Reslienz des Menschen, funktionale Lösungsansätze aber gleichzeitig auch Brandbeschleuniger für toxische Beziehungen, zumindest einige von Ihnen. Was die einzelnen Strategien genau ausmacht und wie wir lernen können uns liebevoll bei Stress zu regulieren, darüber soll es in diesem Artikel gehen.

Copingstrategien: Den Arschengel spielen

Was genau bedeutet Coping?

Der Begriff Coping stammt wie erwähnt aus dem Englischen. „To Cope“ bedeutet „bewältigen“ bzw. „umgehen“. Copingstrategien sind also Möglichkeiten wie wir Stress, Krisen und Belastungen händeln, sei es im Alltag, im Job oder in unseren Beziehungen.

Es gibt mehrere Modelle zu den Copingstrategien. In diesem Artikel behandel ich die zwei bekanntesten. Zum einen erläutere ich das transaktionelle Stressmodell vom Psychologen Richard Lazarus, sowie die Cope-Skala vom Forscherteam Carver, Scheier und Weintraub mit den 15 verschiedenen Copingstrategien

Das Transaktionelle Stressmodell nach Lazarus

Der amerikanische Psychologe Richard L. Lazarus (1922-2002), war ein Verfechter der Emotionstheorie der kognitiven Bewertung. Er ging davon aus, dass die Bewertung einer Situation, unmittelbare Auswikrungen auf die Reaktion hatte. So forschte Lazarus bereits in seinem Studium der Psychologie zu den Themen Stress und Emotionen.

An der UC Berkeley setzte er z.B. auch Filme ein, um bei seinen Probanten Stress und emotionale Reaktionen hervorzurufen.  Er fand heraus, dass die unterschiedliche kognitive Bewertung des Wahrgenommenen Auswirkungen auf die Stärke des emotionalen Stresses hat und damit auch auf die Bewältigung davon.

So erklärt sich auch, warum zwei Menschen anders auf Stress reagieren, selbst wenn sie dasselbe erleben. Situationen können als irrelevant, freundlich/positiv, oder als belastend interpretiert werden.

Im Rahmen seiner Forschung identifizierte Lazarus dazu 3 verschiedene Coping-Strategien mit denen man die Reaktionen unterscheidet.

Das Problemorientierte Coping

Bei dieser Strategie versuchen Betroffene den entstandenen Stress mittels Wissen, also sammeln von Informationen, direkten Handlungen (bzw. Verhaltensänderungen) oder durch das Unterlassen (Vermeiden) Problemsituationen zu überwinden oder sich den Gegebenheiten anzupassen.

In der Psychologie z.b. hilft es vielen Patienten, wenn sie durch Psychoedukation über ihre Krankheit informiert werden und gleichzeitig erfahren, was sie konkret tun können um ihr Leid zu vermindern.

Das Emotionsorientierte Coping

Beim emotionsorientierten Coping wird nicht am Problem selber angesetzt, sondern wie der Name schon sagt, direkt beim Zustand der Psyche selber. Ziel ist hier eine Veränderung der ausgelösten Emotionen.

Zum Beispiel können ängstliche, impulsive und leicht reizbare Menschen durch Entspannungstechniken wie Yoga, Meditation, aber auch sportlichen Aktivitäten lernen sich selbst besser zu regulieren.

Das Bewertungsorientierte Coping

Insbesondere in der kognitiven Verhaltenstherapie wird diese Strategie angewandt. Denn beim Bewertungsorientierten Coping geht es um eine Neubwertung der jeweiligen Situation. Ein Synonym für Bewertungsorientierung ist auch Lösungsorientierung.

Als Beispiel ist anzuführen, dass z.b. das Wort „Problem“, welches ansich schon für Stress sorgt, umgedeutet werden kann in das Wort „Herausforderung“, was potentielle Ressourcen und somit auch Kräfte freisetzt um diese zu überwinden.

Stress: Warum wir reagieren wie wir reagieren

Jeder Mensch ist individuell, ergo reagiert auch jeder Mensch unterschiedlich auf die Anforderungen des Lebens. Man geht davon aus, dass resiliente Menschen, sich besser regulieren und entsprechend besser mit Stress umgehen können.

So wie es unterschiedliche Menschen gibt, gibt es eben auch unterschiedliche menschliche Verhaltensmuster. Stress ist ein biologisches Program, welches in uns allen verankert ist. Und wir alle reagieren auf Stress alle gleich, nämlich kognitiv bzw. gedanklich oder emotional, mit entsprechenden Verhaltensweisen und mit körperlichen Begleiterscheinungen.

Diese drei Stressreaktionen sichern unser Überleben. Insbesondere in der Kindheit taten sie uns einen großen Gefallen. Sie halfen uns mit schwierigen Situationen umzugehen. Sie sicherten quasi unser Überleben. Jedoch mussten wir im Laufe der Zeit lernen, dass Stress nicht einfach von alleine verschwindet, nur weil wir reagieren, wie wir reagieren. Als Folge dieser Erkenntnis mussten wir also Copingstrategien entwickeln.

Coping und Resilienz

In diesem Punkt ist sich die Reslienzforschung noch nicht ganz sicher. Ein Teil der Experten geht davon aus, dass Coping ein Teil der Reslienz ist, ein anderer Teil jedoch glaubt eher daran, dass Resilienz eine Folge von erfolgreichem Coping ist.

Obwohl Resilienz in vielen Definitionen für eine Bewältigung von Stress steht, so gibt es einen gravierenden Unterschied zwischen den Begriffen. Coping bedeutet nämlich nicht, dass der Stress erfolgreich bewältigt wird. Coping kann funktional und erfolgreich sein, oder aber auch dysfunktional und weniger erfolgreich, wenn nicht sogar kontraproduktiv. Wohingegen es keine dysfunktionale Resilienz gibt.

Die 7 Säulen der Resilienz

Resilienz steht für „seelische Widerstandskraft“. Und wie man diese erlanngt, könnte in der Tat die Folge von erfolgreichem Coping sein.

Reslienz setzt sich aus 7 Säulen zusammen, die da wären:

1.Säule – Optimismus

Sich klar machen, dass ein dysregulierter Zustand immer zeitlich begrenzt und damit kein unendliches Schicksal ist. Jede Krise ist zu meistern und irgendwann vorüber.

2. Säule – Akzeptanz

Auch wenn es schmerzhaft ist: es ist wie es ist! Eine Situation zu akzeptieren ist ein wesentlicher Schritt zu ihrer Lösung. Solange ich das nicht tue, geht es auch nicht voran.

3. Säule – Lösungsorientiert sein

Hat man die Situation akzeptiert und ist optimistisch, dann geht es an die Lösungssuche. Geht nicht, gibt’s nicht. Es gibt immer etwas, dass man verändern kann – an der Situation und an sich und seiner Einstellung

4. Säule – Opferrolle verlassen

Sich als Opfer zu betrachten, macht viele Situationen einfacher und kann zunächst entlastend sein. Aber dann sollte man sich auf seine Stärken besinnen und aus der Rolle schlüpfen.

5. Säule – Verantwortung übernehmen

Wer bereit ist, für sich und sein Handeln Verantwortung zu übernehmen, wird aktiv und probiert auch etwas Neues aus. Er lässt sich durch andere Meinungen nicht so schnell irritieren.

6. Säule – Netzwerkorientierung

Resiliente Menschen verfügen oft über ein stabiles soziales Netzwerk. Sie haben Menschen in ihrem Umfeld, die sie unterstützen und ihnen beistehen. Das stärkt und macht optimistisch, dass es weitergehen wird.

7. Säule – Zukunftsplanung

Eine klare und realistische Vorstellung von seiner Zukunft zu haben ist wichtig. Entsprechende Vorbereitungen und Planungen helfen bei der Bewältigung von Krisen, da man dann seine Wünsche und Bedürfnisse schon kennt.

Die 15 Copingstrategien der Copeskala

Die Reslienzforscher Carver, Scheier und Weintraub entwickelten 1989 die sogenannte COPE-Scala. Dieser Fragebogen umfasst die 15 übergeordneten und identifizierten Copingstrategien, welche Menschen anwenden, um Stress, Belastungen und schwierige Lebenssituationen zu überwinden.

Diese sind unterteilt in 6 dysfunktionale Überlebensmuster und 9 konstruktiven Strategien zur Stressbewältigung,

Die 6 Dysfunktionalen Überlebensmuster

Als dysfunktionale Copingstrategien zählen Alkohol- und Drogenkonsum, mentaler Rückzug, Verweigerung (Verdrängung), Resignation und passive Hinnahme in Form von, z.B. Sarkasmus oder Zynismus oder der Fokus auf alles Negative.

Als weitere dysfunktionale Bewältigungsstrategie wird noch das emotionale Essen gezählt. Das heißt, bevor wir uns über eine Emotion oder ein Gefühl so richtig bewusst werden, greifen manche von uns zum Essen. Essen beruhigt und verhindert gleichzeitig, dass wir uns mit schmerzhaften Themen auseinander setzen, die uns schon lange begleiten.

Menschen die Schwierigkeiten haben sich zu entspannen, neigen dazu, wenn Ruhe einkehrt, zu flüchten, sei es in die Arbeit, in den Sport oder übermäßigen Zucker- bzw. Koffeinkonsum. Diese Menschen leiden unter einer Übererregung ihres zentralen Nervensystems. Für diese Menschen ist Ruhe verbunden mit Angst oder dem diffusen Gefühl, dass irgendwas mit ihnen nicht stimmt, also wird Stress erzeugt, denn nur unter Anspannung fühlen sich diese Menschen lebendig.

Auf Dauer führen dysfunktionale Überlebensmuster zu psychischen Erkrankungen, wie z.B. einer Depression, einer chronischen Anpassungsstörung oder zu Essstörungen und Suchterkrankungen.

Die 9 Konstruktiven Strategien zur Stressbewältigung

Konstruktive Copingstrategien sind unter anderem:

  • sich Hilfe und Unterstützung zu suchen in Form von Therapie
  • Humor (Lachen ist gesund!)
  • Beschäftigung mit sich selbst, den eigenen Gefühlen und tun was einem gut tut
  • Positive Neubwertung der eigenen Lebenssituation (Achtsamkeit)
  • verstärkte Hinwendung zu einem Hobby
  • Planung
  • Aktiv im Kontakt bleiben und Konkurrierende Aktivitäten unterbrechen
  • Akzeptanz (Teil der 7 Säulen der Resilienz)

Auch Religion und die Beschäftigung mit Themen spirituellen Inhalts gehören dazu. Manch einer nutzt sein Trauma sogar dazu um es auch wortwörtlich zu überwinden, in dem man sich selbst über den Berg hebt.

Eine konstruktive Copingstrategie könnte sein, einen Berg zu überwinden.

Copingstrategie Psychoedukation: Wissen hilft beim Helfen

Nicht selten überwinden Menschen ihre Belastungen dadurch, dass sie Experten auf dem Gebiet des von ihnen erfahrenen Leids werden und so ihrerseits anderen Menschen helfen, belastende Erlebnisse und Lebenssituationen zu bewältigen. Auch im Bereich der narzisstischen Persönlichkeitsstörungen gibt es zahlreiche ehemalige Betroffene, die ihr Wissen und ihre Erfahrungen an andere weiter geben.

So hat sich im Übrigen auch die Narzissmus Selbsthilfe gegründet. Meine Copingstrategie war also mich mit meiner Geschichte auseinander zu setzen und daraus dann was Gutes zu machen.

Im Verlauf eines positiven  Bewältigungsprozesses können sich bei dem Menschen neue Kompetenzen, Fähigkeiten und Eigenschaften ergeben. Das erlittene Leid führt bei positivem Coping zu persönlichem Wachstum und Weiterentwicklung und größerer Widerstandsfähigkeit gegenüber psychischen Belastungen. = Resilienz.

Sonstiges:

Ein weiteres Modell ist das Modell der maladaptiven Beziehungsschemata, nach der Schematheorie

Der Frankfurter Psychotherapeut Eckard Roediger sagt dazu Folgendes:

Wesentliche negative emotionale Schemata werden schon in früher Kindheit und Jugend angelegt, wenn die Grundbedürfnisse des Kindes nicht befriedigt werden. Um unangenehme Erlebnisse möglichst zu verhindern und einen Kompromiss zwischen den Grundbedürfnissen und den verinnerlichten Erwartungen der Eltern zu schaffen, entwickeln wir Bewältigungs- bzw. Copingstrategien, die ebenfalls wie die Schemata eingebrannt werden.

Je nach der persönlichen Veranlagung und den Beziehungserfahrungen können diese einen eher unterordnend-erduldenden, einen gefühlsabspaltend-vermeidenden oder einen kämpferisch-überkompensierenden Charakter haben und stellen damit Ausgestaltungen der biologisch angelegten Unterwerfungs‑, Flucht- bzw. Erstarrungs- oder Kampfbereitschaft dar.

Auch die Bewältigungsversuche werden zur Gewohnheit, d. h. bilden Attraktoren und neigen dazu, sich selbst aufrechtzuerhalten. Dadurch besteht die Tendenz, aktuelle Probleme im Erwachsenenleben mit in der Kindheit entwickelten Lösungsstrategien anzugehen, was langfristig zu unbefriedigenden Ergebnissen führen kann. In Momenten der Schemaaktivierung erleben wir wieder wie als Kind, sehen die Welt gewissermaßen mit Kinderaugen und setzen mangels Alternativen die gewohnten Kindheitslösungen ein.

Die Lösungsversuche, die in der Kindheit adäquat und die relativ bestmöglichen waren, nutzen nicht die Möglichkeiten, die wir jetzt als Erwachsene haben. Daher müssen diese Lösungsversuche jetzt bewusst als begrenzend erkannt und verändert werden. Dann können die verinnerlichten Regel hinterfragt und neue, erwachsene Lösungen gefunden werden, die den Grundbedürfnissen besser gerecht werden. Dies ist Aufgabe der Psychotherapie.

(© Dr. Eckart Roediger)

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