Der Cinderella Komplex: Die heimliche Angst der Frauen vor der Unabhängigkeit

Der Cinderella Komplex: Die heimliche Angst der Frauen vor der Unabhängigkeit

Ein tiefgreifender Blick auf ein verbreitetes psychologisches Muster

Der Cinderella Komplex ist ein Begriff, der in der Psychologie und Popkultur verwendet wird, um auf ein psychologisches Phänomen hinzuweisen, bei dem Menschen, insbesondere Frauen, Schwierigkeiten haben, ihre Selbstständigkeit und Eigenständigkeit zu akzeptieren. Der Begriff leitet sich von der Figur der Aschenputtel aus dem gleichnamigen Märchen ab, in dem Aschenputtel von ihrer bösen Stiefmutter und ihren Stiefschwestern unterdrückt wird und auf die Rettung durch einen Prinzen hofft.

Der Cinderella-Komplex wurde erstmals in den 1980er Jahren von der Psychologin Colette Dowling in ihrem Buch „The Cinderella Complex: Women’s Hidden Fear of Independence“ beschrieben. Dowling argumentierte, dass viele Frauen aufgrund gesellschaftlicher Erwartungen und kultureller Normen dazu erzogen werden, Abhängig von Männern zu sein und sich in erster Linie auf romantische Beziehungen zu konzentrieren, um Erfüllung und Glück zu finden. Dies kann dazu führen, dass Frauen sich in Beziehungen unterordnen, ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigen und Schwierigkeiten haben, ihre Selbstständigkeit zu leben.

Cinderella Komplex der Frau

Der Ursprung des Cinderella Komplex: Eine Reise in die Märchenwelt

Um den Cinderella Komplex vollständig zu verstehen, lohnt es sich, einen Blick auf seine Wurzeln zu werfen, die wie bereits erwähnt in dem Märchen von Aschenputtel der Gebrüder Grimm zu finden sind. Die Geschichte erzählt von einem jungen Mädchen namens Cinderella, das von seiner Stiefmutter und den Stiefschwestern schlecht behandelt wird. Sie muss unzählige Hausarbeiten erledigen und wird von ihrer Familie weitgehend ignoriert und missachtet. Trotz dieser grausamen Behandlung bewahrte Cinderella ihre Güte und Freundlichkeit.

Die Wendung in der Geschichte tritt ein, als sie die Möglichkeit erhält, am königlichen Ball teilzunehmen, dank der Hilfe einer guten Gebühr. Sie verwandelt Cinderella von einem Aschenputtel in eine Prinzessin und ermöglicht ihr, für eine begrenzte Zeit aus ihrem trostlosen Leben auszubrechen und den Prinzen zu treffen. Das Märchen endet schließlich damit, dass Cinderella und der Prinz zusammenkommen und glücklich leben.

Dieses Märchen verkörpert viele der Elemente, die im Cinderella Komplex zu finden sind: Vernachlässigung, Unterdrückung, das Verbergen von wahren Gefühlen und Wünschen sowie die Hoffnung auf eine bessere Zukunft durch die Rettung von außen. Es ist wichtig zu betonen, dass Märchen oft als Spiegel für die menschliche Psyche dienen und uns viel über die Dynamik von Verhalten und Beziehungen verraten können, so auch für die heimliche Angst der Frauen vor der Unabhängigkeit.

Die Hauptmerkmale des Cinderella Komplex

  1. Abhängigkeit von einem Retter: Frauen mit diesem Komplex neigen dazu, nach einem „Retter“ zu suchen, sei es in Form eines Partners oder einer Beziehung. Sie glauben, dass sie ohne diese Rettung nicht in der Lage sind, ein erfülltes Leben zu führen.
  2. Selbstwertgefühl hängt von anderen ab: Ihr Selbstwertgefühl und Selbstwert hängen stark von der Meinung und den Handlungen anderer Menschen, insbesondere von romantischen Partnern, ab.
  3. Angst vor Selbstständigkeit: Frauen mit dem Cinderella Komplex haben oft Angst vor Selbstständigkeit und Autonomie. Die Vorstellung, ihr eigenes Leben zu gestalten und ohne Hilfe zu leben, kann beängstigend sein.
  4. Unterdrückung der eigenen Bedürfnisse: Menschen mit dem Cinderella Komplex neigen dazu, ihre eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Ambitionen zugunsten der Bedürfnisse ihres Partners oder ihrer Familie zu vernachlässigen.
  5. Passivität und Unterwürfigkeit: Sie können sich passiv und unterwürfig verhalten und in Beziehungen möglicherweise unsichtbar oder unwichtig erscheinen, um Konflikte zu vermeiden oder ihrem Partner zu gefallen.
  6. Unfähigkeit, Grenzen zu setzen: Sie haben oft Schwierigkeiten, Grenzen zu setzen und sich gegenüber anderen durchzusetzen, aus Angst, abgelehnt oder verlassen zu werden.
  7. Mangelnde berufliche Ambitionen: Frauen mit dem Cinderella Komplex könnten zögern, berufliche Ziele zu verfolgen, die ihre Unabhängigkeit fördern würden, und stattdessen Jobs oder Karrieren wählen, die weniger Selbstständigkeit erfordern.

Der Cinderella Komplex als Prototyp für die Frau eines Narzissten?

Wenn Mann und Frau heiraten, haben beide weiterhin das Recht, für ihre Träume und Ziele zu kämpfen und sie zu verwirklichen. Der Cinderella Komplex besagt jedoch das Gegenteil: Die Frau unterwirft sich und bleibt zu Hause, während sie sich von ihrem Mann „beschützen und versorgen“ lässt.

Willkommen in der Abhängigkeit. Andere Meinungen sagen wiederum, dass die Frau sich blind in einen emotional nicht verfügbaren Kotzbrocken verliebt hat, der ihr schöne Augen gemacht hat um sie zu manipulieren, wie Narzissten es eben tun. Dass zu einer Beziehung immer zwei gehören, wird hierbei oft vergessen. Manche Frau sieht ihren Partner sogar als Projekt. Sie sieht sein Potential und hängt sich an ihn dran.

Die Vorstellung, dass ein schöner Prinz in Rüstung und auf edlem Ross dahergeritten kommt, um seine Prinzessin mit einem Kuss ins Leben zurückzuholen wie bei Schneewittchen oder Dornröschen oder das triste Leben einer Küchenmagd zu beenden wie bei Aschenputtel, muss zwar schön sein, es passiert aber nie oder nur selten. Und wenn es passiert, dann ist die Verliebtheit nur am Anfang riesig groß. In der Verliebtheit ist eben noch alles neu.

Willkommen im goldenen Käfig

Sobald sich eine Frau von ihrem Mann abhängig macht – was oft nicht einmal bewusst geschieht –, entsteht für beide eine äußerst einengende, oft die Luft zum Atmen raubende Situation. Dieser Komplex einer „Prinzessin im höchsten Turm, die auf ihren Prinzen wartet, der sie rettet und zu seinem goldenen Palast führt“, kann zu einer wahren Belastungsprobe in der Ehe bzw. der Beziehung werden.

Das Beziehungsleben ist nun mal keine Märchengeschichte. Und Verliebtheit hält nicht ewig an. Irgendwann erkennt man, mit wem man es zu tun hat. Der Mann ist also nicht der Retter der Frau, auch wenn manche Frau darauf hofft, dass er das ist.

Wenn eine Frau nicht in der Lage ist, Selbstsicherheit zu verspüren und eigene Entscheidungen zu treffen, wird es für keinen der Partner ein Happy End geben – weder für sie in ihrer Opferrolle noch für ihn als Narzissten, der nicht in der Lage ist, ihre Erwartungen zu erfüllen, geschweige denn jemandem anders es recht zu machen.

Hinzukommt, dass kaum beachtet wird, dass auch ein Mann nicht unbegrenzte Kapazitäten aufweist und Empathie in der Tat nur eine Fähigkeit ist, die zwar gelernt werden kann, jedoch selbst dann nicht auf Knopfdruck von Jedermann abgerufen werden kann. Die Geschichte vom manipulativen Narzissten, der einen materiell verwöhnt, aber emotional vernachlässigt klingt viel besser.

Die Emanzipation der Frau

Ein langer Kampf um Gleichberechtigung hat es vielen Frauen ermöglicht, heute emanzipiert leben und gleichberechtigt ihren Rechten und Pflichten nachgehen zu dürfen und sich vom Cinderella-Komplex ein wenig zu lösen. Und dennoch gibt es noch Frauen die in alten Rollenmustern verharren. Und auch Männer sind damit überfordert. Mancher Patrichart tut sich umso schwerer seine Vormachtstellung aufzugeben.

Die Emanzipation der Frau bezieht sich auf den Prozess der Befreiung und Gleichstellung von Frauen in der Gesellschaft, insbesondere in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Bildung und soziale Rechte. Dieser Prozess begann als soziale Bewegung im 19. Jahrhundert und basiert darauf, die traditionellen Geschlechterrollen und die damit verbundenen Ungleichheiten zu überwinden, um Frauen die gleichen Chancen und Rechte wie Männern zu gewähren. Die Emanzipation der Frau beinhaltet die folgenden Aspekte:

  1. Politische Emanzipation: Frauen haben das Recht, in politischen Prozessen geführt, einschließlich des Wahlrechts und der Möglichkeit, politische Ämter zu bekleiden.
  2. Wirtschaftliche Emanzipation: Frauen sollten die gleichen beruflichen Möglichkeiten und Standards wie Männer haben und nicht aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden.
  3. Bildung: Frauen haben das Recht auf eine qualitativ hochwertige Bildung und sollten in allen Bildungsstufen gleiche Chancen haben.
  4. Soziale Emanzipation: Frauen sollten die Freiheit haben, ihre Lebensentscheidungen unabhängig zu treffen, ohne von traditionellen Geschlechterrollen eingeschränkt zu werden.
  5. Gesundheit: Frauen sollten Zugang zur Gesundheitsversorgung und reproduktiven Rechten haben.

Trotz der positiven Aspekte der Emanzipation der Frau sind damit auch einige potenzielle Gefahren oder Herausforderungen verbunden, denn der Cinderella Komplex ist dadurch nicht aus der Welt geschaffen. Und da die Geschlechterrollen eine klange Tradition haben, gibt es nicht wenige Menschen, die damit immer noch ein Problem haben. Die größten Probleme sind:

  1. Widerstand und Diskriminierung: Der Prozess der Emanzipation kann auf Widerstand und Diskriminierung stoßen, da einige Teile der Gesellschaft gegen die Gleichstellung der Geschlechter sind und versuchen könnten, diesen Fortschritt zu verhindern.
  2. Geschlechterstereotype: Selbst nach der Emanzipation können Geschlechterstereotype und -rollen weiterhin bestehen und Frauen daran behindern, ihr volles Potenzial auszuschöpfen.
  3. Unbeabsichtigte Folgen: In einigen Fällen können gut gemeinte Emanzipationsbemühungen unbeabsichtigte negative Folgen haben, wie beispielsweise die Auswirkungen auf das Familienleben oder die soziale Dynamik.
  4. Bildungslücken: Trotz Fortschritte in der Bildung gibt es in einigen Teilen der Welt immer noch große Bildungslücken zwischen den Geschlechtern, die die Emanzipation der Frau behindern.
  5. Gewalt und Diskriminierung: Frauen können nach wie vor Gewalt und Diskriminierung erfahren, insbesondere in Bezug auf Themen wie häusliche Gewalt, sexuelle Belästigung und Menschenhandel.
  6. Ökonomische Ungleichheit: Die wirtschaftliche Emanzipation kann immer noch eine Herausforderung sein, da Frauen oft niedrigere Nachteile und weniger berufliche Aufstiegschancen haben.
  7. Kulturelle Unterschiede: In einigen Gesellschaften können kulturelle oder religiöse Normen die Emanzipation der Frau hinter sich lassen, und es kann schwierig sein, diese Normen zu ändern.

Überwindung des Cinderella Komplex

Der Cinderella Komplex ist kein offiziell anerkanntes psychologisches Konzept und nicht alle Menschen, die einige dieser Merkmale aufweisen, zwangsläufig unter diesem „Komplex“ leiden. Es handelt sich eher um eine informelle Beschreibung bestimmter Verhaltensweisen und Denkmuster, die in der Psychologie als problematisch angesehen werden können. Es gibt jedoch parallellen zur sensitiven Persönlichkeit, bzw. der dependenten Persönlichkeitsstörung. Immer noch wird häufig angenommen, dass der Partner deswegen ein Narzisst sei. Vieleicht ist die Frau aber tatsächlich einfach nur abhängig oder unterwürfig. Alles kann und nichts muss.

Nichts desto trotz gillt:

Wenn jemand das Gefühl hat, unter einem solchen Verhaltensmuster zu leiden, kann die Unterstützung eines qualifizierten Therapeuten hilfreich sein, um die zugrunde liegenden Ursachen zu verstehen, damit liebevolle Beziehungen langfristig wieder möglich sind und Frau sich ohne die Angst vor der Selbstständigkeit oder dem Allein sein bewegen kann.

© Daniel Brodersen

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