Der neurotische Fatalismus: Ich bleib so scheiße wie ich bin

Der neurotische Fatalismus: Ich bleib so scheiße wie ich bin

Kennst du Menschen die ihr Schicksal für unabänderlich halten, die der Meinung sind, dass ihr Leben oder sie sich selbst niemals ändern können? Menschen, die sich immer als Opfer sehen und immer das Gefühl haben, dass sich alles gegen sie verschworen hat? Der neurotische Fatalismus ist eine existenzielle Haltung, die wenig Vorteile bietet und im Gegenteil das individuelle Wachstum und die Erfüllung im Leben behindert. Bei dieser Weltanschauung überlässt man sein Leben dem Schicksal und übernimmt selbst keine Verantwortung für seine Entscheidungen.

Der neurotische Fatalismus führt in die Opferrolle

Die Grundidee des neurotischen Fatalismus

Der neurotische Fatalismus wurde erstmals von Viktor Frankl vorgeschlagen und taucht bei anderen Autoren unter verschiedenen Namen auf. Diese Haltung ist eng mit der Vorstellung verbunden, dass unsere Existenz durch eine genetisch festgelegte Signatur bestimmt ist. In diesem Gedankenkonstrukt liegt die Überzeugung, dass wir nichts Unternehmen können, um uns selbst zu verändern.

Aufgrund dessen, dass manche dem neurotischen Fatalismus verfallen sind, neigen sie dazu, einen Lieblingssatz zu wiederholen: „Ich bin so, wie ich bin, Punkt.“ Dieser Satz wird oft dann verwendet, wenn jemand in offensichtlich ungesunden Verhaltensweisen verharrt und Veränderungen dringend nötig wären. Der neurotische Fatalismus ist auch als Ausrede zu verstehen für den Spruch „Ich bleib so scheiße wie ich bin“

Viktor Frankl betrachtete den neurotischen Fatalismus als eine typische Manifestation existenzieller Frustration. Diese Haltung nährt ein frustriertes Selbst und führt dazu, dass das Individuum aufhört, sich als ein Subjekt zu sehen, das seine Realität beeinflussen kann. Stattdessen übernimmt es die passive Rolle eines Objekts, das den Umständen entspricht. Passivität manifestiert die eigene Machtlosigkeit und damit auch die damit selbstgewählte Opferrolle.

Die Merkmale des neurotischen Fatalismus

Der neurotische Fatalismus ist gekennzeichnet durch:

Die Kognitive Komponente

  • Glaube an das Schicksal: Die Betroffenen glauben, dass das Schicksal ihr Leben bestimmt und sie keine Kontrolle darüber haben.
  • Unveränderlichkeit: Sie sind davon überzeugt, dass der festgelegte Plan nicht geändert werden kann.

Die Affektive Komponente

  • Resignation: Die Betroffenen akzeptieren das Schicksal mit Resignation, da sie glauben, dass es sinnlos ist, sich dagegen zu wehren.
  • Gefühlslosigkeit: Sie lassen sich nicht von Gefühlen wie Traurigkeit oder Freude mitreißen, da sie glauben, dass Gefühle sich nichts ändern können.
  • Pessimismus: Sie sehen das Leben als anspruchsvoll, schmerzhaft und tragisch.

Die Verhaltenskomponente

  • Passivität: Sie handeln nicht aktiv, da sie glauben, dass Handeln nutzlos ist und nur Energie verschwendet.
  • Gegenwartszentrierung: Sie konzentrieren sich nur auf die Gegenwart, da Vergangenheit und Zukunft als Manifestationen des Schicksals betrachtet werden.

Der neurotische Fatalismus und seine Ursachen

Der neurotische Fatalismus kann auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden:

  1. Vergangene Erfahrungen: Menschen, die in der Vergangenheit wiederholt negative Ereignisse erlebt haben, können dazu neigen, den Glauben zu entwickeln, dass ihr Leben von Pech verfolgt ist. Diese Erfahrungen können dazu führen, dass sie sich auf zukünftige Misserfolge vorbereiten, anstatt auf Erfolg hinzuarbeiten.
  2. Negative Selbstbilder: Personen mit niedrigem Selbstwertgefühl neigen dazu, sich selbst die Schuld für Probleme zuzuschieben und zu glauben, dass sie es nicht verdienen, Glück oder Erfolg zu erleben. Dies kann zu einem fatalistischen Denkmuster führen.
  3. Umweltfaktoren: Die Umgebung, in der jemand aufwächst, kann ebenfalls Einfluss auf den neurotischen Fatalismus haben. Ein Umfeld, das von pessimistischem Denken und fatalistischem Glauben geprägt ist, kann dieses Denkmuster auf die Person übertragen.

Frankls Argumentationen

Frankl argumentiert, dass Menschen trotz der schwierigsten Umstände die Fähigkeit, ihre Einstellung und ihre Reaktion auf das Leben zu wählen haben. In der Logotherapie ermutigt er die Menschen, Sinn und Bedeutung in ihrem Leben zu finden, selbst in den herausforderndsten Situationen. Der neurotische Fatalismus steht dieser Idee entgegen, da er die Verantwortung für das eigene Leben ablehnt und stattdessen passives Leiden betont.

Die Logotherapie richtet sich danach, Menschen dabei zu helfen, ihre innere Freiheit und Verantwortung zu erkennen und zu nutzen, um ihr Leben sinnvoll zu gestalten. Sie ermutigten Menschen, ihre Einstellung zu ändern, ihre Werte zu klären und sich bewusst für Handlungen zu entscheiden, die ihrem Leben Bedeutung verleihen. Damit soll neurotischer Fatalismus überwunden werden, und die Menschen sollen in der Lage sein, ihr Leben aktiv zu gestalten und Sinn zu finden, selbst in schwierigen Situationen.

Auswirkungen des neurotischen Fatalismus

Neurotischer Fatalismus kann erhebliche Auswirkungen auf das Leben einer Person haben:

  1. Verpasste Chancen: Menschen mit dieser Denkweise könnten Chancen und Möglichkeiten verpassen, da sie davon überzeugt sind, dass sie ohnehin scheitern werden.
  2. Negative Selbstverstärkung: Der Glaube an das Unvermeidliche kann dazu führen, dass Menschen tatsächliche Handlungen unterlassen, die zu positiven Ergebnissen führen könnten, was wiederum ihre negativen Überzeugungen bestätigt.
  3. Angst und Depression: Der neurotische Fatalismus kann zu anhaltender Angst und Depression führen, da die Person ständig in der Erwartung negativer Ereignisse verharrt.

Frustration als Lebenseinstellung

Der neurotische Fatalismus kann eine Quelle der scheinbaren Ruhe sein, da er Unsicherheiten und Verantwortlichkeiten vermeidet. Es scheint, als ob man sich von den Kosten für eigene Fehler befreit. Doch dieser vermeintliche Vorteil hat seinen Preis: eine anhaltende Frustration.

Indem man sein Leben den äußeren Faktoren überlässt und sich selbst als Objekt statt als Subjekt begreift, begrenzt man sein eigenes Potenzial und bleibt in einer endlosen Kette von Frustrationen gefangen. Der Mensch mag existieren, aber der Mensch lebt nicht wirklich.

Auswege aus dem neurotischen Fatalismus

Es ist möglich, den neurotischen Fatalismus zu überwinden und ein positives Denkmuster zu entwickeln. Hier sind einige Strategien, die helfen können:

  1. Selbstreflexion: Die bewusste Reflexion über die eigenen Denkmuster ist ein erster Schritt zur Veränderung. Fragen Sie sich, warum Sie bestimmte Überzeugungen haben und wie sie Ihr Leben beeinflussen.
  2. Therapie: Die Unterstützung eines Therapeuten kann bei der Identifizierung und Bewältigung des neurotischen Fatalismus äußerst hilfreich sein. Kognitive Verhaltenstherapie (CBT) ist eine häufig verwendete Methode, um negative Denkmuster zu verändern.
  3. Positive Selbstgespräche: Ersetzen Sie negative Gedanken durch positive Selbstgespräche. Ermutigen Sie sich selbst und glauben Sie an Ihre Fähigkeiten.
  4. Achtsamkeit und Meditation: Diese Techniken können helfen, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und sich von zukünftigen Katastrophengedanken zu lösen.

Es ist möglich, diese Haltung zu überwinden, indem man sich bewusst wird, dass Veränderung und persönliche Entwicklung möglich sind. Indem wir die Verantwortung für unser Leben übernehmen und die Vorstellung des unveränderlichen Schicksals hinter uns lassen, können wir den Weg zu einem erfüllten Leben ebnen.

© Daniel Brodersen

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