Das Sorgerecht in der anwaltlichen Praxis

Das Sorgerecht in der anwaltlichen Praxis

Kinder sind bei Trennung und Scheidung ein fester Bestandteil anwaltlicher Beratung des Ratsuchenden. Der Anwalt bekommt immer wieder zu hören „ich will das alleinige Sorgerecht“.

In der Regel ist damit gemeint, dass der andere Elternteil keinen Umgang mit seinen Kindern haben soll. Es ist also zunächst einmal die Begriffe zu klären.

Bei dem Umgangsrecht handelt es sich um Recht jenes Elternteils, mit seinem Kind „Umgang“ zu haben, bei dem das Kind nicht überwiegend wohnt. Dieses Recht steht auch Vätern nicht ehelicher Kinder zu, aber auch Geschwistern, Tanten oder Oma und Opa. Das Umgangsrecht kann nur aus schwerwiegenden Gründen eingeschränkt werden, wenn z.B. das Wohl des Kindes gefährdet wird. Bei Streitigkeiten wird hier zunächst empfohlen, dass zuständige Jugendamt aufzusuchen.

Ferner gibt es den Begriff Aufenthaltsbestimmungsrecht. Dieses bedeutet, dass Recht eines Elternteils allein über den Aufenthalt eines Kindes zu bestimmen. In der anwaltlichen Praxis hat es die geringste Bedeutung. Es wird aber dann für einen sorgeberechtigten Elternteil interessant, wenn der andere Elternteil wegziehen will, sei es in ein anderes Bundesland oder in das Ausland. Denn mit einem Wegzug besteht die konkrete Gefahr, dass der Kontakt zu dem Kind erschwert wird oder sogar wegfällt.

Das Sorgerecht behandelt die Eckepunkte im Leben eines Menschen. Daraus folgt, dass es nicht um das „Tagesgeschäft“ mit einem Kind geht. Das Sorgerecht umfasst die Fragen Kita/Schule, Berufsausbildung, Gesundheit, Vermögen, Religionserziehung.

Mit dieser Aufzählung, die im Übrigen nicht ganz vollständig ist, können zahlreiche Konflikte mit einhergehen. Diese sind vor allem unter dem Blickwinkel des Interesses des Kindes zu klären. Elterliche Sorge bedeutet vor allem Belastungen von dem Kinde fernzuhalten, weil die Trennung schon genug Belastung darstellt. Die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts setzt auch voraus, zumindest einen Teil der Sachen gemeinsam besprechen zu können. Dabei reicht es aus, wenn die Eltern über Mail kommunizieren, ja es hat sogar den Vorteil, dass sich dort zusammen gerissen wird, wohlwissend, dass jede Mail bei dem Jugendamt vorgelegt werden kann.

So ist es natürlich einem Elternteil untersagt, die Kita für das Kind zu kündigen, weil der andere Elternteil meint, die Frau solle zu Hause bleiben und keiner Erwerbstätigkeit nachgehen.

Das Sorgerecht kann einem Elternteil nur entzogen werden, wenn das Kindeswohl gefährdet ist.

Die Kindeswohlgefährdung ist ein Begriff, den es auszulegen gilt. Wenn das Sorgerecht entzogen wird, stellt sich die Frage, wer denn künftig das Sorgerecht ausübt, als wer „Empfänger“ des alleinigen Sorgerechts ist. Dieses ist in vielen Fällen das Jugendamt, sei es auf Dauer oder auch nur zeitweilig. Das Jugendamt hat gar keine andere Wahl, als das Kind in Obhut zu nehmen, wenn nach der Geburt Kokain, Heroin oder andere Drogen in dem Blut des Kindes nachgewiesen werden. Es bedarf auch keiner Diskussion über eine solche Maßnahme bei Missbrauch, Vernachlässigung oder Gewalt. In solchen Fällen beantragt das Jugendamt die Übertragung der elterlichen Sorge. Natürlich ist dieses das letzte Mittel. In der Regel wird das Jugendamt vorher versuchen, der Familie Hilfe zu leisten

Es ist aber auch notwendig, die elterliche Sorge auf ein Elternteil zu übertragen, weil es dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Dabei muss dann keineswegs das gesamt Sorgerecht auf den anderen Elternteil übertragen werden, oft reicht auch die Übertragung eines Teilaspekts aus. Wenn der Kindesvater der Kindesmutter die Verlängerung des Reisepasses verweigert, weil er nicht möchte, dass das Kind in das Ausland reist, so kann seine fehlende Zustimmung im Rahmen eines Sorgerechtsverfahren durch Gerichtsbeschluss ersetzt werden. Es ist unnötig, das gesamte Sorgerecht zu übertragen. Nichts anderes gilt für die Vermögensvorsorge, sei es auch nur die Eröffnung eines Sparbuches, wobei in der Regel beide Elternteile die Zustimmung erteilen müssen.

Bedeutung erlangt die Teilübertragung auch Gesundheitsvorsorge. Arbeitet hier ein Elternteil nicht zum Wohle des Kindes mit, so kann dieser Aspekt auch alleine auf ein Elternteil übertragen werden. Nichts anderes gilt für die Kita und Schule.

Oft ist aber auch notwendig, das gesamte Sorgerecht auf einen Elternteil zu übertragen. Dieses ist in Praxis besonders dann der Fall, wenn der andere Elternteil im Ausland lebt, kaum oder gar keinen Kontakt zu dem Kind hat. Hier wird oft angenommen, dass der Elternteil, wo das Kind lebt, freie Hand braucht, um sich um das Kind zu kümmern. Eine solche freie Hand braucht auch jenes Elternteil, wenn der andere sorgeberechtigte Elternteil keinerlei Interessen an dem Wohlergehen des Kindes hat.

Es kommt immer wieder zum Streit wegen des Sorgerechts, weil die Eltern nicht ausreichend miteinander kommunizieren können (oder wollen).

In der Regel wird hier das Familiengericht versuchen einen Ausgleich zu schaffen. So wird den Eltern geraten, per Mail zu kommunizieren. Auch kann das Familiengericht vorschlagen, dass ein Elternteil Vollmachten bekommt, um freie Hand zu haben, ohne das dem anderen Elternteil das Sorgerecht entzogen wird. Diese Vollmachten können auch befristet werden und der andere Elternteil hat die Möglichkeit seine Vollmacht zu widerrufen.

In Sorgerechtsverfahren schaltet das Familiengericht einen Verfahrensbeistand ein. Es handelt sich dabei in der Regel um einen Anwalt oder Anwältin, welcher die Interessen des Kindes wahren und auf eine einvernehmliche Regelung der Eltern hinwirken soll. Dieses ist für das Verfahren von großem Vorteil. Der Verfahrensbeistand hat viel mehr Zeit als ein Familiengericht und dessen Stellungnahme hat in einer möglichen Entscheidung großes Gewicht. Außerdem lernt er/sie das Kind kennen und kann seine eigenen Eindrücke schildern.

Das gemeinsame Sorgerecht gilt auch für Elternteile, die nicht mit einander verheiratet waren. Dieses unter der Voraussetzung, dass eine entsprechende Erklärung beider Elternteile vorliegt. Eine solche Erklärung kann bei dem Jugendamt erfolgen und diese stellen dann auch eine entsprechende Urkunde aus.

Der Vater eines nichtehelichen Kindes hat mittlerweile auch die Möglichkeit, das gemeinsame Sorgerecht einzuklagen.

Was ist wenn der Partner narzisstisch ist oder psychisch krank?

Dazu ergeben sich keine Besonderheiten. Entscheidend ist das Kindes Wohl. Wird oder ist dieses gefährdet, hat das Familiengericht entsprechende Maßnahmen zu treffen. Sollte der geneigte Leser hier zu der Entscheidung gelangen, dass ein Gespräch notwendig ist, vielleicht auch um seine eigene Unsicherheit zu klären, so ist der erste Weg immer zur Erziehungsberatungsstelle in Hamburg, ansonsten zum Jugendamt.

Hamburg, im Dezember 2020

Rechtsanwalt

Bernd Meding

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